Dominik Petko, Leiter des IMS an der PHZ Goldau und sein Team luden diese Woche auf die Rigi ein. Vierzig Deutschschweizer Fachpersonen um Medienpädagogik und ICT-Integration folgten dem Ruf. Gemeinsam sollten sie den Einwänden nachgehen, weshalb die ICT-Integration in den Schulen den jahrelangen Bemühungen zum Trotz nicht gelingen will. Die pädagogischen Überzeugungen kritischer Lehrpersonen den Medien im Schulzimmer gegenüber, dies könnte die Hürde schulischer ICT-Integration sein, so die These der Tagung.
Die betörend schöne Aussicht von der Rigi auf die umliegenden Berge und die darunterliegende Nebeldecke stehe sinnbildlich für die Aufgabe, welche sich den Anwesenden stellt, so Petko bei der Begrüssung. «Weit denken» sollten die Anwesenden. Zum Knackpunkt wurde ein Plakat…

Dominik Petko führt ins Thema des Rigi-Workshops ein, zitiert aus früheren Studien der Schwyzer Forscher, beispielsweise zu ICT im Unterricht der Sekundarstufe I im Kanton Schwyz. Die Gelingensfaktoren, damit ICT-Mittel im Unterricht genutzt würden wären: Der Zugang zu den ICT-Mitteln, die vorhandenen Kompetenzen der Lehrpersonen sowie eben die Überzeugungen, die Motivation der Lehrpersonen den ICT-Mitteln gegenüber: Welche Effizienz resp. Effektivität sie diesen zuschreiben. Siehe auch Workshop von Petko «Mehr Computer=mehr Computer=mehr Einsatz im Unterricht?» (Download Slides) an der diesjährigen Tagung «1to1 Computing» sowie das Skill–Will–Tool–Modell.

Die Überzeugungen von Lehrpersonen ICT gegenüber sind vielfältig: So sind gemäss oben erwähnter Studie Petkos aus dem Jahr 2010 bei Sekundarlehrpersonen des Kantons Schwyz 92% der Lehrpersonen der Meinung, dass Computerkenntnisse für das künftige Berufsleben der Schüler/innen unerlässlich sind. Soweit ermutigend. Aber es sind auch 36% der Lehrpersonen der Meinung, dass je mehr man am Computer arbeitet, desto unkritischer würden die Schüler/innen diesem Medium gegenüber. Nicht die beste Voraussetzung, um ICT als Lerninstrument im eigenen Unterricht einzusetzen. (Download Studie)

Diejenigen der Anwesenden, welche an diesem Punkt davon ausgingen, dass nun ihre  Erfahrungen im Umgang mit hindernden Überzeugungen gesammelt werden sollten, wurden erstmals enttäuscht. Gefragt waren nicht erprobte Instrumente zum Aufweichen solcher Überzeugungen, das Instrument wurde gleich geliefert, in Form eines Posters mit dem Titel «Schulen in der Informationsgesellschaft». Die Anwesenden sollten Methoden finden, wie das Poster  in Weiterbildungen eingesetzt werden kann. Noch enger, die Anwesenden sollten als erstes gleich eine Methode erproben: «Platziert auf dem Poster Sprechblasen mit möglichen Überzeugungen der Akteure» – Manch einer der Anwesenden wird sich während dem Hantieren mit Filzstiften, farbigen Klebepunkten und Post-its gefragt haben, ob ein solches Plakat denn blockierte Einstellungen von Lehrpersonen, Schulleitenden usw. zu lösen vermag.
Die Suche nach (erahnten) ICT-bezogenen Überzeugungen von Akteuren des Bildungssystems war aber ergiebig. Dem versteckten Widerstand zum Trotz füllten sich die Poster mit den Post-Its. Eine fiktive Schulleitung: «Es gibt sooo viele Ansprüche an die Schule, was sie auch noch übernehmen müsste. «Ich glaube, dass Medien und ICT nicht unbedingt relevant für die Weiterentwicklung unserer Schule sind.»

Schulleitung als zentraler Akteur für gelungene Medienintegration

Die Schulleitung wurde denn auch als wichtiger Akteur nebst vielen anderen für eine gelungene Medienintegration identifiziert (was aus der Literatur eigentlich schon hinlänglich bekannt war). Aus der Diskussion: Schulleiterinnen und Schuleiter bilden den Link zwischen Schulteam, Schulbehörde und Eltern. Oft haben sie aber wenig Kenntnisse über das didaktische Potential von digitalen Medien und über medienbildnerische Themen. Medienbildung und ICT-Integration sollten als Aspekt von Schul- und Unterrichtsentwicklung in der Ausbildung von Schulleitenden thematisiert werden. Schulleitungen sollten Hilfestellungen erhalten, wie sie das Anliegen in ihrem Schulteam thematisieren können – beispielsweise in Form eines solchen Plakats.

Schulteam als Ort der gelebten Medienkultur

Als weiterer starker Akteur der Medienintegration wurde das Schulteam genannt. Hier wird Schulkultur mit Medien gelebt, hier können die Lehrpersonen mehr oder weniger ermutigende Erfahrungen mit Medien machen, als Mittel zur Kommunikation im Team, als Thema gemeinsamer Unterrichtsprojekte etc. Und hier finden Team-Weiterbildungen statt, welche Überzeugungen aufbrechen könnten. Ob das vorgestellte Plakat dazu eingesetzt werden könnte? Ist es hilfreich, im Schulteam anhand des Plakats versteckte Überzeugungen zur Sprache zu bringen?

Idealschule der Medienintegration
Sollte ein solches Plakat eine «Idealschule der Medienintegration» darstellen? Dies würde beispielsweise bedeuten, dass die «Idealschule» nicht mit einem Informatikraum ausgerüstet wäre, sondern mit einem Medienraum, einem Projektraum, resp. einer «Lernumgebung, wo mit und ohne Medien gelernt, geforscht und zusammengearbeitet wird.  (Blogbeitrag vom 25.6.10 «Ein Lernzentrum für die Schule»). Und der Serverraum würde in der «Idealschule» wohl auch fehlen…
Die Lehrpersonen würden anhand eines solchen Plakats konfrontiert mit der Frage: «Stellt euch vor, das wäre unsere künftige Schule. Inwiefern wäre das wünschenswert, inwiefern nicht?» Und weiter: «Was würdet ihr dazu benötigen, um in einer solchen Schule arbeiten zu können?» – «Wir können euch einen pädagogischen Support und … anbieten. Wie würde es dann aussehen?

Von der Perle zur Perlenkette

Die Anwesenden waren sich wohl einig: Ein solches Plakat kann die erste Perle darstellen – Eine ganze «Perlenkette» von Massnahmen sind notwendig bis zur gelungenen Medienintegration einer Schule. Die Teilnehmenden trugen denn auch eine ganze Sammlung von Ideen zusammen, wie das Plakat und die Arbeit damit gestaltet werden könnte (siehe Bild links; gross). In unserer Beratungsarbeit an Schulen erleben wir Arbeitsgruppen, welche während Monaten an ihrem Medienkonzept oder ICT-Pass arbeiten. Die Stufenvertretenden als eigentliche «Botschafter/innen» tragen ihre Erfahrungen ins Team hinaus. An einer pädagogischen Tagung präsentieren sie ihren Kolleginnen und Kollegen vom Stand der Arbeiten und holen ihre Meinung ab. In Team-Weiterbildungen können die Lehrpersonen selbst Erfahrungen machen im Umgang mit Medien. Unterrichtsprojekte mit Medienintegration werden im Schulprogramm projektiert und unter Anleitung des ICT-Verantwortlichen gemeinsam geplant und umgesetzt.

Die Medien- und ICT-Integration zur eigenen Sache machen
Rolf Dobelli erläutert in der heutigen Sonntags-Zeitung (25.11.11) mit seinem Artikel «Warum selbst gemacht besser schmeckt», weshalb eigene Erfindungen meist als die besseren erachtet werden. Die ICT-Integration wird normalerweise von aussen an die Lehrpersonen herangetragen, die Schulteams müssen sich die Sache zueigen machen. Dies ist der Grund, weshalb wir die Schulen ihren ICT-Pass und ihr Medien- und ICT-Konzept zumindest teilweise auf ihre lokale Situation anpassen lassen. Auch wenn im Extremfall ein ausgefeiltes Medienkonzept durch lokale Eingriffe «verwässert» werden kann. (Der Grad der Verwässerung müsste diskutiert werden…) Damit ist auch begründet, weshalb reine Top-Down-Massnahmen selten nachhaltig sind.
Mit dem vorliegenden Plakat könnte ein Schulteam den ersten Schritt gehen, sich die Sache der Medien- und ICT-Integration zueigen zu machen. Der Weg ist lang. Mit dem Plakat ist  die erste Perle ist auf der Schnur. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

Siehe auch
Blogbeitrag von Beat Döbeli.
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