Eine überaus folgenschwere Entscheidung steht mir bevor: der Kauf einer neuen Spiegelreflex-Kamera. Soll es die auflagenstarke Bolide mit allen Schikanen sein, welche grossmundig angepriesen wird und in jedem Kameratest mit Bestnoten abschneidet, oder doch die als sehr robust und langlebig beschriebene «geländetaugliche» Allwettermaschine? – Ich durchstöbere die einschlägigen Foren der Fotofanatiker, überfliege seitenlange Reviews im Internet zu Kameratypen und – viel wichtiger – passenden Objektiven. Ich staune über die Akribie, mit welcher die technischen Daten verglichen, mit bewundernswertem Aufwand aufwändig nachgemessen und – viel wichtiger – anhand von Referenzfotos verglichen werden. Ich fühle mich verbunden mit dem Fotojournalisten John aus England, wel-cher im Detail seine täglichen Erfahrungen mit Kamera und Objektiv seiner Wahl beschreibt und gleich mit Beispielfotos auf seiner Webpage verlinkt. Es kommt ein sonderbares «Gefühl der Verbundenheit» mit der internationalen Community der Fotoverrückten auf. Diejenigen, welche sich über das schändliche Bildrauschen ab ISO 1600 ärgern, über den «scheusslichen Bokeh» eines Objektivs lästern oder sich herablassend über das vernichtende Urteil eines Fotojournalisten äussern: Dass Kamera X aufgrund des anscheinend so fundierten Tests im Fotojournal schlechte Noten erhalten habe, sage dies vor allem mal etwas über seine persönliche Präferenz aus, aber auch über das wohl zu geringe Werbebudget der Marke in seinem Fotoheft.

Und ich fühle mich meilenweit entfernt vom eigentlich Wichtigen: Von meiner persönlichen Motivation, den Augenblick mit einer Fotografie einzufangen, die Welt mit anderen Augen wahrzunehmen, währenddem ich sie nach abbildungswürdigen Motiven scanne. Ich durchsuche meine bisherige Fotosammlung: Zehntausende von Diapositiven, das Mehrfache an digitalen Fotografien: In welcher Situation habe ich mich damals befunden, als ich jenes Foto aufnahm? Was war mir wichtig? Was empfinde ich heute beim Betrachten? Ich tauche ein und plötzlich sind sie wieder ganz nahe: Diese starken Emotionen, nicht unbedingt diejenigen auf dem Bild selbst, sondern deren Geschichte drum herum. Zum Beispiel die Fotos bei der Winterüberquerung des 5400 Meter hohen Thoron-Passes in Nepal, nördlich des Annapurna-Massivs. Fotos, damals aufgenommen mit einer zweihundert Gramm schweren Minox – total unscheinbar aber unheimlich präsentes Objektiv. Ich war unterwegs mit dem öster-reichischen Berggänger Wolfgang, er mit drei Kilogramm an Fotoausrüstung, ich mit meinen zweihun-dert Gramm. Täglich acht bis zwölf Stunden auf den Beinen, die betörende Hochgebirgslandschaft in Richtung Mustang, Nähe Tibet. Viel Zeit für endlose Diskussionen, auch über die Philosophie des Fotografierens. Am Thorong-Pass wären wir beinahe umgekommen, kamen vom Weg ab, mussten schlussendlich stundenlang im Geröll klettern, schneegefüllte Couloirs umgehen. Dann, zwei Tage später, zu Gast bei Nepalis, abends am Feuer sitzend. Die beiden Frauen bereiten am Feuer ein Dal-Bath zu. Wolfgang und ich sind uns einig: Diese umwerfende Stimmung, die lässt sich nicht auf (da-mals noch) Zelluoid bannen. Ich habe als kein Foto davon – Und doch ist mir diese Stimmung noch so nah und so stark mit Emotionen gefüllt.

Zurück zum Kamerakauf: Was genau kaufe ich jetzt? Beste Fototechnik? Das Gefühl auf Abenteuer und Freiheit? Ein Stück Erinnerung? Oder gar das Wekrzeug zur Kunst? – Es wird Zeit, dass ich den ach so schönen Evaluationsprozess abschliesse. Schade, gab er doch manch belebendes Gesprächsthema ab. Morgen Freitag werde ich Kamera eins persönlich testen, am Samstag dann Kamea zwei. Und wichtig wird mir nicht die Technik sein, sondern die Haptik und die damit verbundene Emotion – und vielleicht auch die belebende Ahnung, doch ein Stück Freiheit einkaufen zu dürfen…

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