Gestern fand eine weitere Podiumsveranstaltung im Rahmen der Solothurner Filmtage statt. Diesmal ging es um  Filmbildung: «Filme im Klassenzimmer – Mehrwert oder Spielerei?» Auf der Bühne des archaisch-heimeligen Stadttheaters Solothurn diskutierten unter der Leitung von Laurent Baumann (Memoriav) die Filmwissenschaftlerin Anita Gertiser (Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich), André Grieder (schule&kultur der Bildungsdirektion des Kantons Zürich), Andy Schär von der FHNW und Initiator der Videoplattform für die Schule www.minipodium.ch, Heinz Urben, Geschäftsführer von achaos sowie Philipp Hebeisen, Redaktor bei SF Wissen.Man war sich schnell einig, so schien es, dass Filmbildung zurzeit kein Thema auf der Bildungsagenda ist, welches Lehrpersonen und Bildungsplanern unter den Nägeln brennt. «Film dient in der Schule bislang meist nur als Unterstützung des Texts sowie als Füllmaterial vor den Ferien», monierte Moderationsleiter Baumann gleich zu Beginn. Es lasse sich jedoch ein gewisser Aufbruch feststellen. Im Moment werde viel für die Filmbildung getan. Die Sektion Film des Bundesamts für Kultur unterstützt das Anliegen, die Filmbildung in die Schule zu bringen und nicht zu übersehen seien die zahlreichen Initiativen, welche in den letzten zwei Jahren um Aufmerksamkeit bitten: www.roadmovie.ch (Kino auf Rädern kommt in die Schule), www.achaos.ch (Projekt «Kinokultur in der Schule») www.e-media.ch (Westschweizer Medienportal für die Schule), sowie MySchool von SF mit deren neuem Videoportal. Und besonders gefreut haben die Erwähnung «unserer» Produkte, www.medienbildung.ch sowie das Dossier Medienkompetenz des Schulamts der Stadt Zürich, welches von der PH Zürich entwickelt wurde.

Die Pädagogischen Hochschulen seien sehr aktiv beim Aufbau dieser Kompetenzen, führte Baumann aus. Es werde viel gemacht, aber der Film scheint noch nicht recht den Platz in den Schweizer Schulen gefunden zu haben. Und diesen Gründen wolle man in dieser Podiumsdiskussion nachgehen. Viel Zeit räumte der Moderator anschliessend den Diskutanten ein, um ihre Produkte ausführlich vorstellen zu dürfen. Und dies sind nicht wenige.
Interessant waren auch die Ausführungen von Anita Gertiser zur Geschichte des Films in der Schule. Sie erzählte von Bemühungen der damaligen Lehrer, den Film «zuzurichten», damit er in der Schule genutzt werden konnte. Das Schweizer Schul- und Volkskino kämpfte ab 1921 dafür, dass der Film als Lehrmittel akzeptiert wird. – Da wundert man sich schon, dass es der Film bis heute nicht viel weiter geschafft hat als unterhaltsamer Lückenfüller und allenfalls zur Illustration von geografischen, kulturellen oder historischen Sachverhalten.

Andy Schär wies darauf hin, dass der Computer im Gegensatz zum Film schnell als didaktisches Arbeitsmittel akzeptiert wurde, der Film dagegen konnte sein Image als Unterhaltungsmedium nie ganz abstreifen. Die Weiterbildungsangebote der FHNW zum Thema Film/Filmsprache finden bei den Lehrpersonen wenig Zuspruch. Deshalb sind sie dazu übergegangen, Filme in einem bestimmten Unterrichtssetting und zu einem bestimmten Unterrichtsthema anzubieten. Filme als didaktisches Mittel eben. Dies komme bei den Lehrpersonen gut an und biete zudem ein Tor, um die Lehrpersonen für die Filmbildung zu sensibilisieren.

Viel Kritik musste sich SF-Mann Philipp Hebeisen anhören, welcher in Stellvertretung des Leiters von SF MySchool Konrad Wepfer anwesend war: Die SF-Plattform biete nur Materialien zum Inhalt an; Hintergrundinformationen, interaktive Quiz und auch zweifelhafte Fragebogen zu inhaltlichen Details. Angebote zum Medium Film selbst würden fehlen. Die Kritik wird von Hebeisen bestätigt. Es würden dazu geeignete Mitarbeitende fehlen.

Filme im Unterricht als mediendidaktisches Mittel und als Thema der Medienbildung bearbeiten, das tönt toll, doch in der Praxis stellen sich da einige Fragen:

  • In welchen Fächern soll die Integration der Filmbildung geschehen?
  • Film als didaktisches Mittel in Fächern wie Sprache, Mensch/Umwelt etc., das ist einleuchtend, doch wie kann es gelingen, die «Kurve» zu medienbildenden Themen zu schaffen?
  • Anita Gertiser wies darauf hin, dass Erkenntnisse in Filmanalyse nur mit grossem Zeitaufwand erlernbar sind. Wo können die Lehrpersonen diese Fertigkeiten erlernen?
  • Woher geeignete Lehrmittel nehmen? Dass Filmbildung ein (wichtiges) Thema der Medienbildung ist, dem wird wohl kein Medienpädagoge widersprechen. Doch im Moment scheinen «dringendere» medienbildnerische Themen die Agenda zu besetzen: z.B. der kompetente Umgang mit Web 2.0-Plattformen, Persönlichkeitsschutz in Social Communities, Urheberrecht etc. Nicht umsonst findet man z.B. im Lehrmittel zur Medienbildung «Medienkompass» keine explizit filmbildende Themen. Nicht dass man dies damals nicht für wichtig befunden hätte, doch in Anbetracht der vielen Themen…
  • Und nebst Filmanalyse von bestehenden Filmen ist wohl die aktive Arbeit mit der Videokamera, die Produktion von Schülerfilmen, ein wichtiges Mittel, um praktische Erfahrungen zu machen, beispielsweise mit der Wirkungsweise von Filmschnitt oder um die aufwändige Entwicklung eines Films am eigenen Leib zu erfahren. – Wie kommen die Lehrpersonen zu geeigneten Geräten? Wo erlernen sie die technische Bedienung, Fertigkeiten in Filmgestaltung etc.?
  • Alles deutet darauf hin, den Lehrpersonen die notwendige Weiterbildung dazu anzubieten. Und nochmals stellt sich die Frage der Zeit: Wann diese Weiterbildung besuchen, in welchem Rahmen etc.?
    Hier könnte wohl eine pädagogische ICT-Beratung im Schulhaus den Lehrpersonen nötige Unterstützung bieten. Eine Lehrperson, welche in einer Weiterbildung obige Fertigkeiten erlernt hat und nun die Kolleginnen und Kollegen mit konkreten Unterrichtsprojekten dazu anleitet. Doch das ist ein anderes Kapitel

Und wer umgehend mit einer Weiterbildung zum Thema beginnen will: Ein Weiterbildungsangebot der PH Zürich zu «Filme erleben – Filme gestalten» von Dominik Roost.

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Solothurn – nicht nur wegen den Filmtagen schön…