Gut gemeinte Ratschläge im Umgang mit der unaufhaltsamen Mailflut findet man in jeder Zeitschrift und  jedem Gratis-Anzeiger. Es hat sich mittlerweile herum gesprochen, dass aktivierte automatische Alerts bei jeder einzelnen eingehenden Mail unsinnig sind und jede Anstrengung zu konzentriertem Arbeiten zunichte machen.

Ich experimentiere in diesen Wochen mit dem System «täglich leere Mailbox». – Ein Mitarbeiter kommentierte dieses Ansinnen kürzlich mit: «Willst du dich umbringen? – Meine Mailbox enthält Hunderte von angeschauten Mails, diese lösche ich spätestens vor dem grossen Urlaub». Da tummeln sich also Mails, welche nur eine kurze Rückantwort benötigen neben solchen, die so richtig Zeit zum Bearbeiten verlangen. Darunter mischen sich fröhlich Mails «An Alle» nach dem Typus «Ich veranstalte ein Flötenkonzert, würde mich freuen…» neben den üblichen Spam-Mails, welche das Filter nicht abfangen konnte.

Um es vorweg zu nehmen: Ein System zur Bearbeitung von Mails muss wie ein grundsätzliches Arbeitssystem jede Person für sich selbst entwickeln. So kommt niemand darum herum, die persönlich besten Arbeitszeiten und den auf die individuelle Tätigkeit adäquaten Bearbeitungsrhythmus zu finden. Zwei- bis dreimaliges Öffnen der Mailbox pro Tag ist jedoch in den meisten Arbeitskontexten ausreichend.

Nun mein System «Täglich leere Mailbox»:

Ich leere meine Mailbox in der Regel zwei Mal täglich: morgens nach 10 Uhr; vorher ist Arbeit am «Topthema» des Tages angesagt. Und zum zweiten Mal nach 15 Uhr.

1. Löschen
Alle Mails sichten, Spam und unerwünschte Zusendungen markieren (Shift-Taste) – dann Delete und tschüss.

2. Kurzantwort
Von der ältesten Mail her Mails arbeitend diejenigen Mails bearbeiten, welche nur Kenntnisnahme oder eine kurze Antwort benötigen. Die abgearbeiteten Mails werden in nach Projekten oder Personen eingerichtete Ordner verschoben (Kurzbefehl auf Mac in Entourage: Apfel–Shift–M).
Nebenbei: Ein Kollege berichtete mir kürzlich, dass er sich gegen die CC-Flut mit einer Regel wehrt: Alle CCs werden in einen CC-Ordner abgespitzt…

3. Sortieren
Die restlichen Mails werden sortiert in drei verschiedene Ordner verschoben:
a) 01_WARTEN: Habe einen Sachverhalt zu Kenntnis genommen, allenfalls kurz geantwortet; warte nun eine Rückmeldung ab, bevor ich weiter arbeiten kann.
b) 02_ERLEDIGEN: Wofür ich mehr Zeit benötige; Ich terminiere mir diese Arbeit im elektronischen Terminkalender und reserviere die geschätzte Arbeitsdauer
c) 03_BEOBACHTEN: Ich will gelegentlich nachverfolgen, was inzwischen passiert ist. Ich setze eine Erinnerung im Kalender in einigen Wochen.

4. Arbeiten
Ich bearbeite die ersten Mails, welche mehr als zwei Antwortsätze benötigen. Die restlichen werden wie beschrieben verschoben.

Selbstverständlich gelingt es mir nicht immer, diese Regel einzuhalten, ich arbeite in diese Richtung. Und wenn ich ab 9 Uhr in einer Sitzung bin, schaue ich eben kurz nach Arbeitsbeginn in meine Mailbox. Miriam Meckel beschreibt in «Das Glück der Unterreichbarkeit – Wege aus der Kommunikationsfalle» (2007) ähnliche Strategien. Zeitmanagement ist ein Thema, womit sich Wissensarbeitende und andere Zu-wenig-Zeit-Habende wohl zwingend auseinandersetzen müssen, spätestens, wenn der Mailserver meldet «Your Mailbox is full». Dann kann man die Mails ja immer noch unbesehen löschen; wer etwas möchte, meldet sich bestimmt wieder…