Jede Zeitschrift, sei es ein Gratisanzeiger oder eine altgediente Tageszeitung, unterhält eine Seite «Digital», «Multimedia» oder wie auch immer diese benannt ist. Und in voraussehbarer Regelmässigkeit werden dort neue Online- oder Web 2.0-Dienste vorgestellt. So geschehen beispielsweise im Tages-Anzeiger vor einigen Tagen (Hier). Andere Dienstleister, Weiterbildungsanbieter und Blogbetreiber wiederum sammeln diese Dienste und stellen praktische Übersichtlisten der verfügbaren Websites an, zum Beispiel Hier, Hier oder Hier.

Wer hätte sich vor einigen Jahren vorstellen können, dass heute praktisch jede erdenkliche Software ihr Pendant im Internet findet. Angefangen bei der Office-Palette, über Bildbearbeitung, Audio- oder Videobearbeitung hin zu diversen Tauschplattformen zu Musik, Foto, Video, Text etc. Dass die Dienste Aufmerksamkeit erlangt haben, ist offensichtlich. Anders kann ich mir nicht vorstellen, dass für dieselbe Tätigkeit manchmal gleich mehrere Anbieter um Aufmerksamkeit buhlen, oft nur mit marginal unterschiedlichen Funktionalitäten. Und trotzdem bin ich skeptisch, ob diese Tools wirklich so regelmässig genutzt werden. Welchen Sinn macht es, ein Video online zu schneiden oder Fotos online zu bearbeiten, wenn jeder Computer heutzutage mit einfacher Videoschnitt-Software, Bildhandling-Software etc. ausgeliefert wird. Die Online-Version als lustige Fingerübung für Programmierer/innen?

Zu gerne wüsste ich, wieviele der registrierten Personen der besagten Online-Dienste Einmalbesucher oder seltene Gäste sind und wer die sulz_neuDienste wirklich konsequent und zielgerichtet nutzt., Nutzungszahlen von Kindern und Jugendlichen gibt es bekanntlich in den JIM-Studien. Solche von Erwachsenen kann ich nicht gleich aus dem Stegreif nennen. Was mir aber auffällt: Viele meiner Kolleginnen und Kollegen kennen offensichtlich die einschlägigen Online-Tools, man hat allenfalls sie ausprobiert, doch ich kenne niemanden, der/die diese anstatt der Online-Version konsequent nutzt. Allenfalls sind die Tools nette Lückenbüsser, wenn an der Computer-Station in der Hotellobby der Handyfilm noch kurz zurechtgeschnitten werden soll, bevor man ihn auf YouTube lädt – sofern das Handy eine solche Schnittsoftware nicht auch gleich integriert hat. Von wegen Cloud Computing.

Etwas anders erlebe ich die Online-Dienste zur virtuellen Zusammenarbeit wie Google Docs etc. In meinem Umfeld werden in den letzten Monaten Projektvorbereitungen, Arbeitsorganisation etc. immer häufiger mit besagtem Online-Dienst abgewickelt. Die Skepsis gegenüber Googles Umgang mit unseren Daten scheint einer eigentlichen Euphorie gewichen zu sein. Und das Arbeiten damit macht oft auch Sinn. Beat Döbeli hat vor einigen Tagen in einem lesenswerden Blogeintrag zu «Virtuell Brainstormen» verfasst. Treffend beschreibt er die unterschiedlichen Qualitäten der Zusammenarbeit mit Skype, Etherpad (multi-user one-document-mode) und mit einem Wiki (multi-user multi-document-mode). Ähnliches erlebe ich regelmässig, oft mit dem Verdichtungsschritt von Skype über Google Docs zur realen Begegnung. Und Ähnliches liest man auch in den Kommentaren in seinem Blog. Siehe auch den Blogeintrag auf www.edu-ict.zh.ch zum simultanen Bearbeiten von Texten, Hier.

Im schulischen Umfeld sieht die Situation jedoch anders aus: Bei unseren laufenden ICT-Evaluationen in diversen Schulgemeinden erfahren wir erstmals nicht viel anderes, als aus einschlägigen Studien bekannt ist: Mit grossem Abstand nutzen die Lehrpersonen den frage_kenntnisseComputer im Unterricht mehrheitlich so und in dieser Reihenfolge: Lernsoftware, Internetrecherche und Textverarbeitung. Eine deutliche Mehrheit der Lehrpersonen kann keinen Podcast abonnieren, kein Blog oder Wiki führen und nutzt selten Online-Dienste im Unterricht. Sehr vereinzelt setzen Schulleitende, Arbeitsgruppen-Mitglieder etc. Google Docs zur gemeinsamen Arbeit an einem Papier ein, doch eine vereinbarte und konsequente Nutzung z.B. eines Blogs als Kommunikations-Instrument in Schulen ist eher selten. Derweil geben Schulleitungen in besagten Evaluationen durchwegs zu Protokoll, das Internet konsequenter zur Teamorganisation nutzen zu wollen.

Initiative ICT-Verantwortliche richten zuweilen eine Linkliste mit Delicous oder eine gemeinsame Google-Startseite für das Schulteam ein, doch leider zu oft gehen die Tools bald wieder vergessen. Das Engagement der ICT-Kustoden etc. wird oft nicht belohnt. Es fehlt an verbindlichen Vereinbarungen, womit, wie und wann mit welchen Instrumenten kommuniziert werden soll. Ein Kommunikationskonzept macht noch keine Kommunikationsgenies, die Vereinbarungen müssen wohl diskutiert, eingeübt, wieder angepasst und manchmal auch eingefordert werden. Dazu sind Schulleitende, ICT-Verantwortliche und der Goodwill des ganzen Schulteams gefordert. Eine Entlastung könnten die Tools wohl geben, für Schulleitende und bestimmt auch für all die Mitarbeitenden in Teilzeit.