Tagungsbesuch im Silicon Valley. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich lädt zur Konferenz «Zurich meets San Francisco» ein. Nebst öffentlichem Rahmenprogramm gibt’s ein vertiefendes Programm für die Zürcher Delegation mit Besuchen bei Firmen im Silicon Valley und Förderorganisationen. Das Angebot ermöglicht dem Pädagogen einen Perspektivenwechsel. Die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung erörtern. GovTech, Stadtentwicklung und Mobilität, Startups und ihre Finanzierung. Und vielleicht auch etwas das Silicon Valley entmystifizieren. Es ist kein richtiges Valley (-;

Taxifahrer Han arbeitet seit einem Jahr bei «Uber». Auf deren Plattform ist er als Fünf-Sterne-Fahrer ausgekennzeichnet, hat Top-Ratings betreffend «Super Service» und «Angenehme Unterhaltung». Als Teilzeit-Angestellter würde er mit Uber-Fahrten sein Gehalt aufbessern. «Ich benötige je nach Verkehr bis zwei Stunden ins Stadtzentrum. Wenn ich aber zehn Stunden Taxi fahren kann, rechnet sich dies.»

Im Gespräch über die Arbeitsbedingungen bei Uber berichtet Han von der sich schnell verändernden Situation. Mehr Konkurrenz und damit längere Standzeiten. Er hätte sich nun eine zweite Nebenbeschäftigung beim konkurrenzierenden Taxi-Anbieter «Lyft» besorgt. Die Firma Uber schweigt über sich das Gehalt aus, die NZZ berichtete Anfang Jahr darüber. Es ertönt der Ruf nach Regulierung der Sharing Economy, sei dies gegenüber Uber oder Airbnb &Co., Ein Bericht über die Situation in New York warnt vor Überreaktionen. Eine minimale Regulierung von Mindestlohn, Arbeitsbedingungen und Sicherheit sei sinnvoll. – Für Han zählt aber auch der Kontakt mit seinen Kunden. Er habe immer wieder nette Gespräche während der Fahrt. Und wir als seine Gäste schätzen dies ebenso. Im geteilten Uber-Taxi diskutieren wir mit unserem Fahrer und dem indisch stämmigen Rajiv. Er ist Angestellter bei Tesla, im Monatslohn, wie er mehrmals betont. Es seien wohl mindestens zwölf Stunden täglich, man schaue nicht auf die Uhr. Im Silicon Valley wird offensichtlich lange gearbeitet.

Sharing Economy – Zu Gast bei Airbnb

Besuch im Headquarter von Airbnb, der Buchungsplattform für Individualreisende. 2008 als Vermittler von Privatunterkünften gegründet, heute ein Gigant in der Reisebranche. Was verspricht eine Führung durch die Büros von Airbnb? Besser die Erwartungen tief halten. – Anmeldeprozedere mit Sicherheitscheck. Namen auf dem iPad eintippen, Ausweis vorzeigen. Warten in der Eingangshalle. Mitarbeitende erscheinen im Minutentakt zur Arbeit, das Bike neben sich durch die Halle stossend, ein anderer mit Hund an der Leine. Greg begrüsst unsere Gruppe, die Kaffeetasse in der Hand. Los gehts, vorbei an Müesli essenden und zugleich arbeitenden Menschen in der Lobby, durch stattliche Grossraum-Büros. Mitarbeitende vor riesigen Computerbildschirmen, dazwischen geschlossene Sitzungsräume, alle in einem anderen Dekor eines Reiseziels: Berghütte, Strand, Grossstadt… Die Dichte der Kaffeeküchen beeindruckt. «Want some coffee?» Bald gehen auch wir mit Kaffeetasse bewaffnet durch die Büros.

Im Anschluss Diskussionsrunde mit Airbnb-Mitarbeiterin. Eher ausweichende Antworten, was die Probleme durch Airbnb-Unterkünfte in manchen Städten betrifft. Zu Hotels umfunktionierte Airbnb-Wohnungen, am Fiskus vorbei. Damit einher gehende Wohnungsnot der Einheimischen. Man habe das Problem erkannt. In London müssen Airbnb-Anbieter nachweisen, dass sie Zimmer in ihrer Eigentumswohnung vermieten. In Vancouver registriert die Stadtverwaltung die Airbnb-Vermieter und besteuert sie. Und Zürich Tourismus hat seit wenigen Monaten mit Airbnb eine Tourismusabgabe ausgehandelt. Fr. 2.50 pro Gast und Nacht. Die Veränderung des Geschäftsmodells von Airbnb in den letzten Jahren ist kein Thema. Airbnb, einst alternativer Reiseanbieter für individuelle Unterkünfte bei Privatpersonen, konkurriert mit den anderen grossen Buchungsplattformen wie Booking oder Kajak. Der individuelle Charme ging weitgehend verloren.

Mobilität und Wohnen in der Bay Area

In der San Francisco Bay Area leben 8 Millionen Menschen. In Zentrumsnähe sind die Wohnkosten ins Unermessliche gestiegen, Normalverdiener wohnen in der Agglomeration. Wer nicht unbedingt auf das Auto angewiesen ist, versucht es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, ebenfalls lange Wartezeiten. Mobilität und Wohnen sind vordringliche Herausforderungen in der San Francisco Bay Area. Kreative Lösungsansätze sind gesucht.

Im Rahmen der Tagung organisiert Swissnex San Francisco den Urban Tech Summit: «…where key decisions makers in urban technology from government, academia and industry come together to compare the different approaches of the sister-cities (Zurich and San Francisco) to solve urban mobility questions.» Einstieg ins Thema Stadtentwicklung und Verkehrsplanung in der SF Bay Area durch eine Mitarbeiterin von SPUR (San Francisco Planning and Urban Research Association), einer gemeinnützigen Organisation zur Mitgestaltung der Stadt- und Verkehrsplanung in der SF Bay Area. Ihre Wurzeln gehen zurück auf den Wiederaufbau von San Francisco nach dem Erdbeben 1906. Skizze der anstehenden Problemfelder wie deregulierter Wohnungsmarkt – Wohnen im Zentrum ist nicht mehr bezahlbar und damit Verdrängung der Bevölkerung in die Agglomeration – Verkehrschaos, lokale Wirtschaftsförderung, um nur einige Themen zu nennen. Die Geographische Institut der Universität Zürich (GIVA) gibt Einblick in die Visualisierung und Analyse von Verkehrsströmen. Danach Pitches der Ergebnisse aus den Workshops, gefolgt von einer Podiumsdiskussion, unter anderem mit der Zürcher Stadtpräsidentin, Corinne Mauch und dem Schweizer Entrepreneur Philipp Stauffer (Fyrfly), seit 2001 im Silicon Valley ansässig.

The problem is housing!

Mehr als ein besseres Verständnis für die hochkomplexe, multikausale Problematik ist vom Abend nicht zu erwarten. Moderator Josh Constantine (TechCrunch) ist sichtlich bemüht, den Diskutanten konkrete Lösungen zu entlocken. Corinne Mauch berichtet von ihren Erfahrungen mit öffentlichen Verkehr in SF. Beim Warten wegen ausgefallenen Bussen meint eine Passantin: «Don’t judge us by our transport system!» Als darauf Moderator Constantine vorschlägt, dass doch «einfach» Bewohner, welche in der Agglomeration wohnen, die Strassen bevorzugt benützen dürften, ruft Mauch entnervt aus: «The problem is housing!» Womit sie verdichtetes Wohnen im Zentrum anspricht, die amerikanische Unsitte, unweit des Stadtzentrums nur maximal zweistöckiges Bauen zu erlauben. Darauf Philipp Stauffer: «If there is no answer it’s a great opportunity for entrepreneurship»! – Gelächter im Publikum.

Staatliche Regulierungen sind unumgänglich, müssen jedoch nicht zwangsweise durch Zusammenschluss zu einem grösseren politischen Gebilde erfolgen, so auch die These am Workshop zu «Governance of Metropolitan Areas» an der Universität Berkeley. Regulierungen sind notwendig, zu verdichtetem Bauen im Zentrum, Wirtschaftsförderung für das Kleingewerbe, um nur einige zu nennen. – In der anschliessenden Diskussion unter Teilnehmenden ist man sich einig: Das unermessliche Transportproblem ist zu nicht geringem Teil hervorgerufen durch die vielen Technologiefirmen im Silicon Valley. Weshalb werden sie nicht in die Pflicht genommen und sollen für deren Lösung mitbezahlen? Eine Forderung, welche auch Viktor Mayer-Schönberger in «Das Digital» (2017) vertritt: «Superfirmen müssten viel stärker in die Pflicht genommen werden. Diese Unternehmen profitieren enorm von der Digitalisierung, drücken sich aber mit allen Mitteln darum, ihre riesenhaften Gewinne zu versteuern.» (Blinkist) – Zumindest ist nun eher verständlich, woher die fast kritiklose Faszination der Kalifornier für selbstfahrende Autos stammt. Die Lösung auf das Problem wird vorab in der Technologie gesucht. Und in der Eigeninitiative der Entrepreneure.

Kleingewerbe und Tech-Giganten

Mose O’Griffin steht in der Werkstatthalle seiner Firma «Advanced Prototype» zwischen 3D-Druckern, Lasercutter, Werkbänken, Gabelstapler und Unmengen von technischen Geräten und Materialien. Seine Firma stellt stellt Prototypen für Techfirmen her, für Tests vor der Massenproduktion, beispielsweise für Facebooks 3D-Brille Oculus und ihr neues Unterhaltungs-System Portal oder für die Firma Autodesk.

Moses Firma ist Mitglied von SFMade, einer gemeinnützigen Organisation zur Förderung des lokalen Gewerbes. Das sind meist kleinere Unternehmen, nicht nur in der Tech-Branche. Die Stadtregierung von San Francisco unterstütze ihre Organisation, so die Geschäftsführerin und Co-Gründerin Kate Sofis. Es sei erkannt worden, dass Diversität sinnvoll sei; analoges Business neben digitalem. SF Made biete Workshops und Beratung zu Business Development an. Und in diesen Wochen werde ihr neuer Standort eingeweiht, berichtet sie. Ein Beratungszentrum nebst einem Dutzend bereits arrivierter Handwerksbetriebe. Nähateliers, Ledermanufaktur, Accessoires wie Dodocase, einem Hersteller für Smartphone-Cover, welche wie ein Buch aussehen. «Sustain locally made products» ist das Credo von SFMade. Eine Landkarte mit SF-Made-Geschäften zeigt eine beeindruckende Auswahl von bislang 650 unterstützten Gewerbebetrieben.

In diesem Gebäude ist auch Prototypenbauer Mose O’Griffin eingemietet. Er erzählt von ihren Produktionen und deren Herausforderungen. Flexibel, schnell und vor allem nahe bei den Techgiganten müssten sie sein. Und sie benötigen Mitarbeitende mit fundierten technisch-akademischen Kenntnissen. Sie müssen aber auch in der Lage sein, die komplexen Maschinen zu bedienen. Und sie benötigen handwerkliches Geschick. Im Prinzip müsse er alle neuen Mitarbeitenden zuerst schulen und neues Wissen unter den Mitarbeitern teilen. Dass die Schweiz zu diesem Problem durchaus eine Lösung zu bieten hat, zeigt sie an der Veranstaltung «Skills for Success: Apprenticeship and the Future of Work». Das Schweizer Berufsbildungsmodell stösst auf reges Interesse. Und dass die früher Schweizer Botschafterin Suzi LeVine als glühende Verfechterin der Berufslehre auftritt, freut nicht nur die Schweizer Delegation.

Letzter Abend in San Francisco. Abendessen in Chinatown. Chinesinnen bereiten vor unseren Augen Dumplings zu. Danach Ausklang in der Bar um die Ecke. Steve, Afro-Amerikaner, gesellt sich zu uns. Geschichten vom Leben in SF. «It has changed a lot.» – Schneller, lauter, fremde Gesichter. – Sein Job in der Medienbranche sei zerbröckelt, er halte sich mit langweiligen Kamerajobs über Wasser. Man müsse sich anpassen, die neuen Erfahrungen umarmen. Und was bleibt? Beziehungen mit Menschen wie gerade hier an der Bar. «Analoge» Beziehungen in einer digitalisierten Welt.