Heute Morgen bin ich im Zug auf einen Artikel des Tages-Anzeigers bezüglich freier Schulwahl gestossen. (Tages-Anzeiger vom 18. Juni 2008; Seite 10). In den letzten Monaten vernimmt man in vielen Kantonen die Forderung der Elternlobby Schweiz, die Eltern müssten künftig die Möglichkeit haben, ihrer Kinder in die Schule ihrer Wahl zu senden. Sie sollen dafür sog. Bildungsgutscheine erhalten und diese auch in Privatschulen einlösen können. Die Privatschulen ihrerseits sollen dazu verpflichtet werden auf alle Eintrittsgesuche einzugehen. Im Kanton Zürich soll dazu im Spätsommer ein Volksbegehren lanciert werden. In den Kantonen Aargau, Luzern, St. Gallen oder Thurgau werden ebenfalls entsprechende Initiativen vorbereitet.
Der Bericht im Tages-Anzeiger vom 18. Juni beschreibt unter anderem Modelle der freien Schulwahl in Schweden, in den USA und in Kolumbien. Im Beispiel von Schweden fällt auf, dass sich der Staat auf die Vorgabe von organisatorischen Rahmenbedingungen und basaler Lernziele beschränkt. Die Schule ist frei in ihrer Gestaltung der Schulungsform und des Unterrichts, alle Schülerinnen und Schüler müssen jedoch eine landesweit organisierte Prüfung in der 5. Klasse bestehen. Noten gibt es erst ab dem 8. Schuljahr.
Freie Schulwahl bringt die Schulen dazu, allenfalls auch um Kinder «kämpfen» (Tages-Anzeiger) zu müssen. Welche Kriterien sind für Eltern ausschlaggebend? Das umfassende Betreuungsangebot, d.h. die Kinder bereits um 7 Uhr abgeben und um 18 Uhr abholen zu können? Die besondere pädagogische Ausrichtung wie Individualisierung, Montessori-Pädagogik etc.? Spezielle Inhalte wie Schwerpunkte in politischer Bildung, Umweltbildung, Medienbildung?
Im Fall von Schweden zeigt sich, was bei freier Schulwahl auf jeden Fall eintreten kann: Das Schulprofil muss von der Institution transparent gemacht und an die Eltern verständlich kommuniziert werden. Leicht kommunizierbar sind wohl Argumente wie Betreuungsangebote (Entlastung der Eltern), zweisprachiger Unterricht (ermöglicht Mobilität) oder eben der Einsatz von elektronischen Medien im Unterricht. An letztere binden Eltern wohl die Erwartung der Wettbewerbsfähigkeit im Beruf. Wiederum andere Eltern werden allenfalls gegenteilig argumentieren und mehr Primärerfahrungen und soziales Lernen fordern (Montessori-, Steiner-Pädagogik o.ä.).
Nun besteht die Gefahr, dass die Profilierung der Schule einseitig in den Dienst des Wettbewerbs gestellt wird: Welches Profil lässt sich leicht kommunizieren und entsprechend gut verkaufen? Es geht allenfalls nicht mehr um eine möglichst umfassende, ausgewogene Bildung und auch nicht mehr um die Möglichkeit, dass die Lehrpersonen mit einem selbst entwickelten Schulprofil «ihre» Schule mitgestalten können. Dies trägt bekanntlich viel zur Motivation und Arbeitsplatzzufriedenheit der Lehrpersonen bei. So kann die Qualität des Unterrichts mit individualisierenden Lernformen oder handlungsorientiertem Projektunterricht kann je nach gewähltem Schulprofil eventuell ebenfalls nicht mehr im Zentrum sein.
In meiner Publikation «Schule mit Medienprofil» zeige ich Wege auf, wie eine Bildungsorganisation einschulisches Medienprofil entwickeln kann. Ich differenziere zwischen sog. «explizitem Medienprofil» und «Medienprofil als Teilprofil» (Fraefel 2007, Seite 88). Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich der Ansicht, dass das Medienprofil als Teilprofil einer umfassenden Bildung mehr Rechnung trägt: «So setzt eine Primarschule mit hohem Anteil an fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern einen Entwicklungsschwerpunkt in der Sprachförderung, während zwei Sekundarschulen aufgrund ihrer Erfahrungen mit den Lernenden einen Entwicklungsschwerpunkt in Gewaltprävention bzw. in Gesundheitserziehung setzen.» (Fraefel 2007, Seite 24). Die Schule setzt weiter für eine zu planende Schulprogramm-Periode einen Schwerpunkt und fokussiert während dieser Zeit besonders eine bestimmte Profilansicht, um dann in den Folgejahren eine andere mehr zu betonen. Somit ist nicht das Profil als Wettbewerbsfaktor im Zentrum, sondern die ständige Weiterentwicklung einer «guten» Schule, welche einer möglichst umfassenden Bildung verpflichtet ist.
Fraefel 2007, Seite 25)
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