Das diesjährige GMK-Forum beschäftigte sich mit dem Thema «Mobile Medien». – «Smartphones und Tablets lassen sich in der Schule nicht mehr „wegdenken“», so oder ähnlich beginnt wohl jede Einleitung in einschlägigen Wegleitungen und Konzepten. Es wundert nicht weiter, dass sich der «Quasi-Berufsverband» der deutschsprachigen Medienpädagogen mit dem Thema eingehend beschäftigt. Auffallend oft wurden an dieser Tagung technikbezogene Themen diskutiert. Ein IT-Ingenieur durfte vor den 300 Medienpädagoginnen und Medienpädagogen über technische Innovationen und ihr Potenzial für die Bildung sprechen. Und es schien, als ob sich die «jüngere» Generation stärker am Forum beteiligt, und dies nicht nur in den parallel geführten Twitter-Gesprächen.
Das 30. GMK-Forum Kommunikationskultur lud zur Diskussion von Fragen ein wie: «Wie muss sich Kinder- und Jugendbildung verändern, um angemessen auf die durch mobile Technologien geprägten Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen einzugehen?» Das Tagungsprogramm war wie an GMK-Tagungen üblich eine Mischung aus wissenschaftlich orientierten Plenarveranstaltungen und praxisorientierten Themen-Workshops. Doch diesmal schienen die Worte der Wissenschaftler recht schnell zwischen den vielen bullet points inmitten einer Buchstabenwüste auf der Leinwand zu verhallen. Und wenn der Universitätsprofessor die Online-Abstimmung umständlich einführt, sind im Plenum leise Misstöne hörbar. Derweil kommen die Präsentationen gelungener Beispiele von mobile learning und mobile gaming gut an, ebenso Workshops mit aktiver Beteiligung wie das appcasting der edunauten.
Herausragend war das Referat von Christoph Igel zum Thema «Mobil, Multimodal oder Augmentiert?», unabhängig ob man seine Meinung immer 1:1 teilt. Der IT-Ingenieur ist CEO des Centre for e-Learning Technology (CeLTech) im Deutschen
Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Saarbrücken. Nach anschaulichem Abriss der IT-Entwicklung der letzten 30 Jahre mit Blick auf deren Nutzung in der Bildung wendet sich Igel der Frage nach dem didaktischen Einsatz von Technologie zu: Zuerst die Technik dann die didaktische Nutzung – oder doch lieber umgekehrt? Ausgehend vom Horizon Report 2013 beschreibt Igel Entwicklungstrends, in welcher Weise IT in den nächsten Jahren in der Bildung Eingang finden kann. Dabei beklagt sich Igel, der Anteil von Lehrpersonen mit ablehnender Haltung gegenüber ICT im Unterricht sei in Deutschland 3-mal höher als anderswo. (Hm, wo ist «anderswo»? – Wohl nicht in der Schweiz…) Den Schulen würden Strategien fehlen, was sie mit den Technologien im Unterricht bewirken wollen. Die organisationalen Fragen seien ebenso nicht geklärt. Gerhard Tulodziecki entgegnet Igel, wir hätten die didaktischen Konzepte sehr wohl. Die Technologen müssten sich die Frage auch umgekehrt stellen lassen: Was bietet die Technologie für unsere bestehenden didaktischen Konzepte? – Igel pflichtet teils bei, es wären tatsächlich beide Entwicklungsrichtungen notwendig, doch die technologische Entwicklung gäbe eben doch den Weg vor.
Download PDF der Präsentation.
Es mag am Thema der diesjährigen Tagung liegen, dass dieses Jahr auffallend viele kritische Töne rund um die momentane Medienentwicklung in der Bildung zu hören waren. Ob dies daran liegt, dass die Diskussion um mobiles Lernen stark von Gerätetypen und Apps geprägt ist oder weil dieses Jahr mediendidaktische Fragen stärker im Fokus stehen als an früheren Tagungen. Die kritischen Töne waren von Befürwortern des mobilen Lernens und von Skeptikern zu hören. So beschreibt Stefan Welling in seinem Referat, wie in Los Angeles 650’000 Schüler mit Tablets ausgerüstet werden sollen. Doch nach Auslieferung von 1000 Geräten stellen sie fest, dass es bereits 300 Schülern gelungen ist, die Sicherheitsvorkehrungen zu hacken, es regt sich Widerstand bei den Eltern. Wellig kritisiert: «Derweil benötigen in Los Angeles etwa 250’000 Schüler eine Sehhilfe.» (Zahlen ohne Gewähr) Gerhard Tulodziecki weist mit scheelem Blick auf ein präsentiertes BYOD-Projekt darauf hin, dass «Lernen eine Wechselbeziehung von inneren und äusseren Bedingungen» (Garnier) sei. Wir würden uns zu stark mit den äusseren Bedingungen beschäftigen. Tulo erinnert daran, dass die Schule auch den Auftrag habe, Wichtiges zu bewahren. Und mehrfach kritisieren Redner – technisch und pädagogisch orientierte – die Ideen der grossen Koalition im deutschen Bundestag, resp. das Abschlusspapier der Arbeitsgruppe «digitale Agenda», welche die Abgabe von Tablets an die Schüler vorsehen soll.
Hier sollte auf die Online-Dokumentation der Tagung hingewiesen werden, doch viel mehr als das Tagungsprogramm und die Pressemitteilung des GMK-Vorstands gibt’s nicht online. Bemühungen zur videografischen Dokumentation gab’s durchaus. Doch die Videokamera, welche die Keynote hätte aufnehmen sollen, liess sich von zwei sichtlich bemühten Hilfskräften nicht mehr in Gang bringen. Die aufwändige Beleuchtung der sechsköpfigen Podiumsdiskussion erlag einer defekten Sicherung und die Lautsprecheranlage musste wegen massiven Störgeräuschen abgeschaltet werden. Die Podiumsdiskussion ohne Mikrofonverstärkung war ein seltsames Highlight der Tagung. Insgesamt ein wie immer charmanter und insprierender Anlass unter Medienpädagogen, wenn auch die technischen Basics durchaus mit etwas mehr Selbstverständlichkeit hätten von der Hand gehen könnten.
Bericht über die Tagung der freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen.
Fotos auf dem gmk-blog.
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