Seit geraumer Zeit experimentieren Schulen mit mobilen Medien. Das Handy, mancherorts aus dem Schulhaus verbannt, wird an anderen Orten als didaktisches Instrument eingesetzt. Es scheint, als ob das vor einem Jahr eingeführte iPad das Interesse an mobilen Medien in der Schule weiter gefördert hat. Auf manchen Lehrperpulten wird das extragrosse Handy gesichtet. Schulbehörden werden auf die mobilen Geräte aufmerksam, nicht zuletzt wegen dem im Vergleich zum Notebook günstigeren Preis. Und in einer Woche lädt das IMS an der PHZ zur Tagung 1to1Computing ein. Es regt sich etwas…
Kürzlich ein Gespräch mit einem Mitglied einer Schulbehörde: Es steht die Anschaffung von 25 Desktop-Computern an. Der Schulpfleger rechnet vor: Für denselben Betrag könnte man wohl gegen 75 iPads kaufen. Genug, um drei Klassen vollständig mit einem Tablet-PC auszurüsten. Was hindert, dies zu tun? – Das iPhone-Projekt an der Projektschule Goldau wurde in den letzten zwei Jahren in der Presse herumgereicht. Einige ärgerten sich über das Thema Handykosten, über Sponsoring in der Schule, über zuviel Technik im Schulzimmer. Geeignete *Lern*software fürs iPad, fürs iPhone oder fürs Netbook würde fehlen, dies das wohl meistgehörte kritische Argument, wenn über den Einsatz von mobilen Medien im Unterricht diskutiert wird. Derweil zeigen andere, wie mit ausgewählten iPhone- oder iPad-Apps das eigene Lernen sinnvoll organisiert werden kann, beispielsweise hier oder hier. Über das Potential von mobilen Medien als Lernwerkzeug liest man in der Tagespresse regelmässig, beispielsweise hier oder hier.
Was bei aller Euphorie vergessen geraten kann: Pädagogisch-didaktische Innovation kann zwar von aussen an die Schule getragen werden, sie muss aber von der Lehrerschaft und von der Schulleitung im Schulalltag getragen werden. Es sind die Lehrerinnen und Lehrer, gemeinsam mit der Schulleitung, mit ICT-Verantwortlichen und unterstützt von der Schulbehörde, welche «ihre» Schule gestalten und weiterentwickeln. Offensichtlich leben innovative Lehr- und Lernkonzepte im Schulalltag vorab vom Spirit von initiativen Schulteams und Schulleitungen und Lehrpersonen. Sie prägen mit ihrem Elan die praktische Umsetzung, beispielsweise im Netbookprojekt der Schule Guttannen, in der Projektschule Goldau oder in der Sekundarschule Petermoos in Buchs, welche mit ihrem Schulprojekt «Lernlandschaften» kürzlich einen Preis im Rahmen des Projekts «Schulen lernen von Schulen» gewonnen haben. Die im Video unten portraitierte Sekundarschule Petermoos experimentiert schon seit bald 20 Jahren mit individualisierenden Lehr- und Lernformen, die Entwicklung ihres Konzepts «Lernlandschaften» ist also schrittweise und aufbauend erfolgt, über Jahre hinweg.
Es wäre wohl stark verkürzt, die Gelingensbedingungen für Schulprojekte mit mobilen Medien auf innovative Lehrpersonen zu reduzieren. Benötigt werden nebst vielem Anderem praktische, begeisternde und nachahmbare pädagogische Konzepte, wie mit mobilen Medien in der Schule gearbeitet werden kann.
Abgesehen davon dürfen im Moment zumindest die ICT-Verantwortlichen dem iPad als «massentaugliches» Unterrichtsmittel noch etwas skeptisch gegenüber stehen, was die Software-Verwaltung, resp -Aktualisierung betrifft: Wer für 70 iPads Software kaufen und aktuell halten muss, ist im Moment noch auf Gedeih und Verderben auf iTunes und eine Kreditkarte angewiesen. Doch auch hier «tut sich was», wie aus Apple-Kreisen zu vernehmen ist.
Eine «Vision» gefällig? – Deren gibt es viele, manchmal ziemlich dick aufgetragen, beispielsweise vom College-Schüler Travis Allen mit seiner iSchool Initiative. Siehe Video (29.4.09). Auch das braucht’s…
Weiteres zum Thema:
- More Schools Embrace the iPad as a Learning Tool
(NYTimes. 4.1.11) - Schulen im Burgenland starten erste iPad-Klassen Österreichs
(Der Standard. 1.10.10) - iPad an Singapurs Schulen
(MacNews. 18.1.11) - Das iPad als Unterrichtsmedium in den USA
(Artikelsammlung. 18.5.10)
Das Argument, dass mit der gleichen Menge Geld 3 mal soviele iPads als Desktop Computer gekauft werden können, sticht, demonstriert aber, zusammen mit den Links zu Apps und Netbookprojekten, einmal mehr den Fokus auf ein Gerät. Dass die Anschaffung eines wirklich neuen Geräts von den LehrerInnen nur getragen werden kann, wenn diese nicht einfach nur „druus choo söled“, wie es funktioniert, sondern viel mehr, wenn sie praktisch lernen dürfen, welche Erleichterung es in den Schulalltag bringen kann. Was sollen iPads in der Schule, wenn die LehrerInnen laufend mit Neuerungen bombardiert werden, im Schulalltag aber im Web 1.0 verharren und fluchen, weil ihr zuhause produziertes Worddokument in der Schule plötzlich anders aussieht.
Es regt sich definitiv etwas in Sachen Mobiles Lernen. Eigentlich ist in diesem Bereich schon länger Aktivität zu verzeichnen, wenn man Notebook Klassen, Notebook Wagen und Netbooks in der Schule mitrechnet. Allerdings findet man immer nur Insellösungen. Das ist selbst in den USA so, wo entweder einzelne Schulen oder Schulbezirke den Schritt nach vorne tun.
Anders als beim Taschenrechner, dessen Einführung zwar auch seine Zeit dauerte, dann jedoch flächendeckend erfolgte, sind bei mobilen Endgeräten die Hürden deutlich höher.
Bisher hat es im deutschsprachigen Raum keine mir bekannte Initiative zur Einführung solcher Geräte in einem über eine Stadt hinausgehende Fläche gegeben und selbst dort war die Implementierung nie auf alle Schulen gemünzt.
Mobile Endgeräte und ihre Einführung braucht definitiv pädagogische Konzepte. Es braucht jedoch auch pädagogisches Personal, welches willig ist, damit zu arbeiten. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen.
Desktop PCs sind heute eigentlich schon ein alter Hut, sollte man denken. Tabellenkalkulation ist ebenfalls nicht mehr neu. Die Zeiten, in welchen Lehrer im Umgang mit Office Programmen geschult wurden, liegen lange zurück. Und trotzdem beobachte ich, dass nur ein kleiner Prozentsatz aller Mathematiklehrer Tabellenkalkulation im Mathematikunterricht einsetzt. Viele haben es nicht einmal versucht. Sie beschränken sich auf die vereinzelten Aufgaben mit Zeichnungen in den Lehrbüchern.
Will man die Einführung mobiler Endgeräte in den Schulen in der Breite voranbringen, muss man es wohl oder übel forcieren und mit Schulungen etc. unterfüttern. Wer den Dingen ihren Lauf lässt, wird über viele Jahre höchst divergierende Zustände an den verschiedenen Schulen vorfinden, von gar nichts zu wenig bis intensiv.
Genau: Es braucht «pädagogisches Personal», welches vom Mehrwert der mobilen Geräte überzeugt ist. Und exakt dies ist die Knacknuss. Darauf beissen wir betreffend ICT-Integration seit Jahrzehnten. Rezepte dagegen kann wohl niemand aus dem Hut zaubern. Ich sehe die begeisterten Gesichter der beiden Schulleiter im Film an: Die wurden aber definitiv nicht zu ihrem Schulmodell gezwungen … (–;