Semesterstart an der UBC. Gestern noch praktisch menschenleere Alleen, heute ist kein Durchkommen mehr. Überall Gruppen von Studierenden, angeführt von Kommilitonen in knallrotem T-Shirt mit Aufschrift «I am UBC» und Schrifttafel in der Hand, damit niemand verloren geht. Am späten Nachmittag dann Jahrmarktstimmung auf der Main Mall, Dutzende von Infoständen der Studierendengruppen, Nationalitäten-Treffen, Spezialinteressen, von Tanz- und Yoga-Gruppen, Fotoclub und Sportteams, über Selbsthilfegruppen jeglicher Art – «You want to program a game and don’t know how to code».

Semesterstart auch für die Lehrenden. Im Irving Barber Learning Centre liegt die Broschüre für die Lehrenden auf: «New Faculty Orientation Guide 2018/19». Ein Ratgeber für Lehrende an der UBC zum Semesterbeginn: «Your preparation and attitude are contagious: students will pick up on your excitement, be more likely to commit to your class and invest greater energy to their learning». (p. 26) Dann eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Gestaltung des ersten Studientags: «Introduce yourself», «Showcase course content on Canvas.» (Lernplattform an der UBC), «Give the Students a reason to read the Syllabus». – Alles einleuchtende Empfehlungen, doch kommen solche an bei den Dozierenden? Ich will mehr darüber wissen und besuche Michael Lee, Koordinator des Student Wellbeing Programm (siehe unten). – Zuoberst auf der Liste Empfehlungen an die Lehrenden jedoch der Punkt «Territory Acknowledgement», ein aus europäischer Perspektive ungewöhnlichen Anliegen: Die respektvolle Anerkennung, dass die UBC (die ganze Stadt Vancouver, viele Teile des Landes) auf dem Land der Ureinwohner angesiedelt sind. Siehe Videoclip «What ist Reconsiliation?» und Blogbeitrag  zum Workshop zu «Inclusive Teaching and Reconsiliation»

Besuch beim Koordinator des Student Wellbeing Programm

Das Thema «Student Wellbeing» ist allgegenwärtig auf dem Campus und auf den Websites der UBC. Nach dem Besuch eines Workshops zum Thema «Student Wellbeing» Ende August erhalte ich eine Einladung von Michael Le, Leiter des Student Wellbeing Programms. Er will will mir Einblick ins Konzept geben. Michael: «We believe that teachers have a very important role to play concerning student wellbeing. Teaching methods impact a lot on student wellbeing.» Diskussion über Lehr- und Methodenfreiheit und wie die sehr expliziten Empfehlungen zur Gestaltung der Lehre von den Lehrenden (siehe oben) aufgenommen würden. Die Lehrfreiheit sei auch hier gewährleistet, es würden keine Vorgaben gemacht, so Michal, im Gegensatz zu einzelnen Universitäten in den USA. Klar würden solche Empfehlungen von einzelnen Lehrenden als Bevormundung aufgenommen, doch «If we want to change a culture we must address the problem». Auf die Selbstverantwortung der Studierenden angesprochen, lenkt Michal ein: «We as teacher have the responsibility to create a learning environment for our students, but we all know that the learning has to happen in them.»

Studium als Ort des Trainings für gesunden Lebensstil

Student Wellbeing sei in den G8-Staaten seit über zehn Jahren in wichtiges Anliegen, so Michael Lee. Kanada sei eines der letzten Länder, welches ein entsprechendes Programm umsetze. Michael: «We realized that student wellbeing is not properly addressed, and we realized also that the number of stressed and depressed students was growing every year.» Gemäss einer amerikanischen Studie vor gut zehn Jahren würden gegen 75% der Studierenden mindestens zeitweise unter Angstzuständen leiden, das sei gegen das dreifache im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung. Aber, so Michael: «University can also be a ‚training ground‘ for the future society and also for the future leaders in our society.» Das Studium soll genutzt werden, um «a healthy life style» zu trainieren. Student Wellbeing sei auch Element der kanadischen Regierungsziele und der WHO.

Student Wellbeing verändere den Fokus vom erfolgreichen Studieren, dem Erreichen von akademischen Zielen auf die Studierenden als ganze Person, ihre mentale und körperliche Gesundheit. Michael: «When students are well, they can learn better. And when they learn better, they are better academics.» Das Programm habe drei Ziele: 1. Address the motivation of the student. 2. Create a sense of community («Students want to connect to their peers and also to the faculty members.») 3. Recognize the student as a whole person («Not only a person who has to write a paper or to assess an assignment.») Siehe wellbeing.ubc.ca

UBC Campus als ganzheitlicher Lebensraum

An der UBC hätten erste Aktivitäten um 2010 begonnen, damals noch mit alleinigem Fokus auf den Studierenden. Schon bald wurde klar, dass das Thema Gesundheit auf alle Mitarbeitenden an der UBC und auf die Bewohnerinnen und Bewohner des Campus ausgeweitet werden soll. (auf dem UBC Campus leben dauernd 4000 Personen und während des Semesters weitere 12’000 Studierende). Es ginge nicht nur um die Lehre, auch um die Ernährung auf dem Campus, um «Green Campus», nachhaltiges Bauen, um die Universität als ganzheitlichen Lebensraum: «As a result, UBC Wellbeing was established in 2014 as a University-wide priority, seen as a collaborative effort to make the University a better place to live, work, and learn through a systems-wide and settings-based approach to wellbeing across campuses.» Michael verweist auf die Fallstudie «Healthy Universities» (Dooris & Powell, 2018) und auf den Status Report 2017 der UBC sowie auf den Artikel «Using Appreciative Inquiry to Understand the Role of Teaching Practices in Student Well-being at a Research-Intensive University» (PDF) (Michael Lee et al. 2018).

Von Michael möchte ich noch erfahren, welche Erfahrungen sie mit dem Umgang mit digitalen Medien, sozialen Medien, im Zusammenhang mit Student Wellbeing machen würden. Dazu könne er nichts sagen, die enttäuschende Antwort. – Ich werde dem nachgehen… Später diskutiere ich die Erfahrungen mit meinem Mentor, Jeff Miller, Leiter im Centre for Teaching, Learning and Technology. Wie sieht das Studieren in einer digitalisierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, wo alle, Studierende und Lehrende dauerhaft vernetzt und arbeitende Studierende die Regel sind? Jeff: «If Students today are like that, why shall we not accept it?»

Siehe auch: wellbeing.ubc.ca | hr.ubc.ca/coaching | recreation.ubc.ca/fitness | events.ctlt.ubc.ca

Impressionen vom UBC Campus