SWITCH lud diese Woche zum jährlichen AAA Info Day ein. Die neusten Entwicklungsprojekte wurden vorgestellt, welche mit finanzieller Unterstützung durch den Bund und in Zusammenarbeit mir SWITCH und den Hochschulen in diesem Jahr verfolgt werden. Beeindruckende Projekte in den Bereichen «Grid & Virtual Organisations», «E-Learning» und «AAA» wurden vorgestellt.

Der AAA Info Day von SWITCH an der Uni Bern wird wohl voraussichtlich der letzte sein. Die 2004 gestartete AAA/SWITCH-Intitiative zur Unterstützung der Universitäten und Hochschulen beim Aufbau von Infrastruktur und E-Learning-Angeboten läuft dieses Jahr aus. Zum letzten Mal können die Hochschulen Anträge zur Unterstützung von Projekten einreichen, wie Christoph Witzig von SWITCH in seiner Präsentation (PDF) ausführt. Bislang wurde die beeindruckende Zahl von 93 Projekten eingereicht und gut fünfzig abgeschlossen; siehe Liste der AAA-Projekte.
Unter den Entwicklungsprojekten befinden sich im Bereich E-Learning mehrere Projekte zur Entwicklung von Mobile Apps wie Academic Learning Cards (PDF) oder Projekte zur Entwicklung einer auf die Bedürfnisse einer Hochschule zugeschnittenen «Lernumgebung» wie New Learning Environments (Prezi Präsentation). An dieser Stelle sei die kritische Frage nach dem Sinn der Entwicklung von auf die Bedürfnisse der Hochschule zugeschnittenen Tools erlaubt. So gibt es beispielsweise in Anlehnung an obiges Beispiel einer adaptierbaren «Lernumgebung» bestehende Produkte wie Netvibes oder iGoogle welche sich bestens eignen, um institutionelle Lerninstrumente (das LMS der Hochschule) und nicht-institutionelle Instrumente (Web 2.0-Tools) an einem Ort zu bündeln. Doch dieselbe kritische Frage müssten wir uns auch für das Entwicklungsprojekt Annotating Academic Video, an welchem sich die PH Zürich beteiligt, gefallen lassen. Wir wissen diesbezüglich: Ein Feature fehlt immer …
Insgesamt stellt sich hier einmal mehr die Frage, wohin die Entwicklung von Lernmanagement Systemen führen soll, im Zeitalter von Social Media und Web 2.0-Tools, welche oft kostenlos und oft einfacher zu bedienenen sind. Die SWITCH eduhub-Tagung 2011 hat dieses Thema bereits bearbeitet, siehe Blogbeitrag.

Der Frage nach der Weiterentwicklung von Lernplattformen gehen auch Michael Kerres, Tobias Hölterhof und Axel Nattland in ihrem Online-Artikel «Zur didaktischen Konzeption von «Sozialen Lernplattformen» für das Lernen in Gemeinschaften» (PDF) auf www.medienpaed.com nach. Die Autoren werben für «sozialen Lernplattformen», dem sozialen Lernen im Internet mit Social-Media-Plattformen wie YouTube, Twitter, Slideshare etc. Kerres, Hölterhof und Nattland beschreiben drei mögliche Szenarien einer künftigen Entwicklung:
a) Verzicht auf Lernplattformen. Dieses Szenario sei gut zu realisieren bei informellen Lernaktivitäten jenseits von institutionellen Bildungsangeboten. (Seite 7)
b) Arbeit mit einer Community-Plattform. Realisierbar im Kontext informeller, nicht betreuter Lernsituationen. Hier weisen die Autoren auf die beschränkte Realisierbarkeit hin: «An die Grenzen stösst dieser Ansatz immer dann, wenn spezifische und typische Funktionen eines LMS gewünscht oder notwendig werden: das Einstellen und Wiedergeben von Lernobjekten, die gesamte Abwicklung und Organisation von Prüfungs- und Testverfahren, das Einreichen und Bewerten von Lernleistungen, das Verwalten von Prüfungsergebnissen und eines Leistungs-Portfolios. Dies trifft insbesondere bei Bildungsangeboten zu, die von einer lehrenden Instanz organisiert und betreut werden. Hier wird man eher über eine «soziale Lernplattform» nachdenken. (Seite 9)
c) Soziale Lernplattformen. Eine solche soziale Lernplattform könne durch Anreicherung einer bestehenden Lernplattform mit neuen Funktionen für die Organisation des Lehrbetriebes um entsprechende Funktionen für soziale Kommunikation und Kollaboration und Community Building entwickelt werden. (Seite 9) In der Folge skizzieren die Autoren im Artikel Nutzungsszenarien für soziale Lernplattformen und notwendige Features, so zum Beispiel die wichtige Durchlässigkeit der Plattform ins Internet. Solche Features werden zurzeit in nicht wenige LMS integriert. So enthält beispielsweise ILIAS in der neuen Version 4.2 ein E-Portfolio, einen Blog und einen persönlichen Arbeitsraum. Alle diese Tools können nach Wahl nur der Community oder der ganzen Internet-Gemeinde zugänglich gemacht werden.

Insofern machen oben genannte Tools, welche im Rahmen der AAA/SWITCH-Initiative entwickelt werden durchaus Sinn. Und das Nebeneinander von institutionellen und informellen Lerninstrumenten kann für die Lernenden durchaus auch über das formelle Lernziel hinaus gewinnbringend sein. Kerres,  Hölterhof und Nattland: «Die Lernenden nutzen oftmals andere Orte im Internet für ihren Austausch jenseits des von dem Bildungsanbieter organisierten und kontrollierten Lernraumes. Diese «Nebenwelt» kann als wichtige Funktion für die Lernenden, ihre Identitätsentwicklung und Sozialisation eingeschätzt werden. Es erscheint nur begrenzt machbar und erstrebenswert, sie einfach auf die Plattform des Bildungsanbieters übertragen zu wollen.» (Seite 19)

Grafik: Kerres / Hölterhof / Nattland: Abbildung 2: Lernen im privaten und öffentlichen Raum (Seite 15).