Zu Besuch an der Online Educa Berlin. Die nach eigenen Angaben weltgrösste E-Learning-Tagung hat dieses Jahr dem Thema MOOCS einen zentralen Platz eingeräumt. Wenige Tage davor ist eine umfassende Publikation des Phänomens MOOC unter der Herausgeberschaft von Rolf Schulmeister erschienen. Und ich habe erfolgreich das zweite MOOC-Experiment abgebrochen. Grund genug für eine kleine Zwischenbilanz.
Die Online Educa Berlin widmet sich wie nicht anders zu erwarten den aktuellen Hype-Themen des E-Learning: MOOCs, Big Data und (immer noch) Mobile Learning. Man hat den Eindruck, die Verantwortlichen orientieren sich bei der Programmkonzeption konsequent am Horizon Report. Die Anwesenden haben die Wahl zwischen einer Vielzahl von Keynotes und Workshops zum MOOC-Hype aus Sicht der Hochschule (Müssen wir das auch anbieten?), aus Sicht der Teilnehmenden (Weshalb genau nehme ich da teil?) und aus Sicht der MOOC-Autorenschaft (O-Ton: «keep it simple», «avoid student mails», «my CV looks good now because of MOOCs»). Das Bild ist recht ernüchternd. Hilfreich sind allenfalls Dinge wie Ergebnisse einer (leider nicht repräsentativen) Analyse der Teilnehmergruppen: Arbeitslose Akademiker sind die besten Kunden für MOOCS, sie hätten das notwendige Sitzleder…
Euphorisch oder kritisch?
Die MOOC-Bewegung scheint im Moment zwei Lager zu bilden: ein euphorisches und ein eher kritisches: So schreibt Rolf Schulmeister in seiner kürzlich herausgegebenen MOOC-Analyse, dass die publizierenden Medien immer noch auf der Euphoriewelle reiten würden, sie hätten die vermehrt hörbare Kritik der Hochschulen noch nicht vernommen (Schulmeister, Rolf (Hrsg). 2013. MOOCs Offene Bildung oder Geschäftsmodell? Download PDF). Schulmeister beschreibt seine Erfahrungen mit MOOCs als «enttäuschend und befremdlich», er frage sich, weshalb dieses Instruktionsmodell so viel Aufregung erzeugen würde. Derweil gibt sich Beat Döbeli in seinem Blogbeitrag erleichtert, dass er sich dank Schulmeisters MOOC-Analyse definitiv nicht mit MOOCS beschäftigen müsse …
Ernüchternde Selbsterfahrung
Einigermassen ernüchternd sind die eigenen Erfahrungen im besuchten MOOC «Contemporary Architecture» auf Iversity. Die Videovorlesungen sind nur bedingt interessant (Weshalb steht der Dozent vor einem Brunnen auf irgendeinem Platz New Yorks?). Die Frage zum Abschluss einer der ersten Einheiten ist nicht unbedingt ermutigend: «Welche der Architekten wurden im Filmclip besprochen?» Aus einer Auswahl von 6 Radio-Buttons sind deren 4 anzuklicken. Bald schon nervten die Mails mit der x-ten Einladung zum «Midterm Exam». Wenig ermutigend auch das Versprechen des Dozenten, er würde die Einsprachen der Teilnehmenden auf seine Prüfungsrückmeldungen «as soon as possible» beantworten, ebenso wenig die Einladung zum synchronen Online-Meeting «How to become an Architect» (und dies nach 3 Wochen Studium). Bestimmt lag es aber an mir, an der fehlenden Zeit, am fehlenden Interesse und vor allem an der naheliegenden Erkenntnis, dass ich doch nicht Architekt werden wollte…
Dabei sein?
In den letzten 18 Monaten haben sich viele Hochschulen die Frage gestellt: «Müssen wir mit MOOCS auch dabei sein? – Manche fühlen sich zu einer Rechtfertigung genötigt: «Das machen wir schon lange, wir haben X und Y». Der Referent an der Online Educa, Gary W. Matkin der School of Education Irvine, Kalifornien führt dementsprechend eine Liste an, welche OER ihr Hochschule zur Verfügung stellt, welche offenen Online-Kurse etc. Auch der PH Zürich geht es da ähnlich: Wir haben gute Lernobjekte zum Selbststudium, wir bieten den Studis die Lerninhalte strukturiert auf dem LMS an u.a.m. Im nächsten Schritt werden Lernobjekte öffentlich und mobil zugänglich gemacht – wohl ohne den Begriff «MOOC» zu verwenden.
«Motor» zur Weiterentwicklung der Hochschullehre
Und trotzdem, schütten wir das Kind nicht mit dem Bad aus: MOOCs bringen ohne Zweifel das Thema «Online-Studium» oder «Fernunterricht» – um den angestaubten Begriff zu verwenden – in Bewegung. Dies hat bekanntlich in vielen Ländern eine lange Tradition und nicht wenige E-Learning-Mitarbeitende der PH Zürich haben an der Uni Duisburg das Online-Studium «educational media» abgeschlossen. Es ist auch gut, wenn die Online-Lehre neu auf den Radar gerät, denn noch immer sind nicht wenige Dozierende der Ansicht, dass gute Lehre nur im Hörsaal oder Seminarraum unter der Leitung einer dozierenden Person stattfinden kann. Das Thema MOOCs kann demnach dazu dienen, die aktuelle Hochschullehre zu hinterfragen und nach links und rechts zu schauen. So bearbeitet die Arbeitsgruppe Lehre der Zürcher Fachhochschule das Thema seit geraumer Zeit, hat im Sommer zu einem Workshop zum Thema eingeladen und es ist vorgesehen, im 2014 Möglichkeiten für gemeinsame Angebote zu erörtern, beispielsweise offene Online-Kurse zum Erlangen der Studierfähigkeit.
Bild: MOOCS in Europa. Die EU wird in den nächsten Jahren MOOCS massiv fördern. Infos und Überblick von MOOC-Angeboten in europäischen Ländern unter Open Education Europe.
Nur die Spitze des Eisbergs
Aber eben, die lapidare Einsicht: Auch MOOC-lernen ist Anstrengung, sehr oft auf jeden Fall. Und jedes Lernen kann einem wiederum so unsäglich leicht fallen, weil einen das Thema unter den Nägeln brennt, weil man die eigene Situation verändern will, weil man keine andere Alternative sieht als so frei, kostengünstig, unstrukturiert … zu lernen. Die intrinsisch Motivierten kommen doch immer auf ihre Rechnung, sei es im Regelstudium, bei MOOCS oder im völlig freien Selbststudium. In diesen Tagen erreicht uns die Nachricht, dass Coursera in Kürze Zahl-MOOCs anbieten wird. Das «O» fällt demnach weg. Die Kosten werden wohl Teilnehmende mit kleinem Budget ausschliessen, weniger Teilnehmende also, das «M» entfällt. Bleiben also noch die «OCs» – Hatten wir das nicht schon? …
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