An der Fachtagung der GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur in Paderborn. Thema «School’s out – Informelle und formelle Medienbildung». Wissenschaftlich-theoretische und praktische Inhalte an derselben Tagung, das verspricht das jährliche GMK-Forum. Ein bunter Mix – diesmal fokussiert auf das schulische und ausserschulische Lernen – angetrieben durch die jüngste Medienentwicklung mit Mobilgeräten. So erleben die Besucher eine Kürzesteinführung in die Lerntheorie in 5 Minuten (!) und wenig später stellen freie Medienpädagoginnen ihre praktisch durchgeführten Medienprojekte mit Jugendlichen vor.

Das Feuerwerk Franz-Josef Röll (Hochschule Darmstadt) durften die Anwesenden gleich zwei Mal erleben, in der Diskussionsrunde eingangs der Tagung zum Thema  «Medienbildung versus digitale Ignoranz» und im Impulsreferat anderentags zum «Spannungsverhältnis von organisierter Bildung und neuen Lernformen». Wer Röll folgen will, was sich durchaus auch lohnt, muss ein Blitzgewitter von Bildern, Grafiken und Filmclips, versehen mit einem Redeschwall über sich ergehen lassen. Es wären ja hilfreiche Informationen, wenn sie nur länger als 10 Sekunden auf der Leinwand gezeigt würden. Dazu kommt die gefühlte doppelte Geschwindigkeit seiner Rede im Vergleich zu einem «normalen» Referat …

Mit Vehemenz setzt sich Röll für das informelle Lernen ein. An der Uni lerne man vor allem, sich in einem formalen System zurechtzufinden; nein, darin zu überleben. Im Eilzug wird die Zuhörerin/ der Zuhörer in Instruktion und Konstruktion eingeführt, und in das Wesen formaler, nonformaler und informeller Bildung:
– formale Bildung: formalistisch, zielgerichtet, leistungsorientiert (Schule/Uni)
– nonformale Bildung: systematisches Lernen mit Lernzielen (freiwilliges Lernangebot)
– informelle Bildung: beiläufiges Lernen, nicht organisiert/strukturiert (Freizeit)

In Anlehnung an konstruktivistisches Lernen, verweist Röll, wie der Lernende gestört werden müsse. Erst durch eine Störung (Perturbation) könne das Muster durchbrochen, das Alte überlagert und Neues gelernt werden. O-Ton von Röll zum Potenzial von digitalen Medien: «Wir haben eine Disziplinlosigkeit in den Medien, das fördere ich. Wir müssen sie nutzen zur Perturbation der Lernenden!» Das institutionalisierte Lernen müsse aufgehoben werden, so Röll.

Röll geht offenbar mit dem «guten Beispiel» voran sich für die Etablierung einer neuen Lernkultur in seinen Vorlesungen ein. Er verweist auf das Lernsystem des Open Course, respektive des Massive Open Course. Als Beispiel beschreibt er einen Lehrgang mit seinen Studierenden zum Thema «Wirklichkeit 2.0 Medienkultur im digitalen Zeitalter». Innerhalb der Vorlesung erarbeiten die Studierenden Hintergrundmaterialien für eine Funkkolleg-Sendung in HR2 Kultur. Und wichtig: Sie agieren als «Störer» in den Diskussionsforen, welche parallel zur Sendung laufen. Begeistert beschreibt Röll, wie die Studierenden selbstorganisiert die Inhalte erarbeiten. Sie senden ihm diese teils von unterwegs zu, er gibt – ebenfalls unterwegs – auch ausserhalb der Studienzeit dazu kurzfristig Rückmeldungen etc.

Die Meinung der Teilnehmenden an den zwei Podiumsdiskussionen waren offenbar gemacht, man war sich einig: informelles Lernen ist nachhaltiger, da intrinsisch motiviert. Mobile Medien fordern geradezu das informelle, ausserschulische Lernen. Nur wie dieses ausserschulische Lernen im schulischen Kontext nutzen? Auch wurde gefragt, weshalb denn ausgerechnet die Medienbildung in die informelle Bildung gedrängt würde . Mehr zu reden gaben die Bedenken, wie denn das im informellen Kontext erarbeitete Wissen erfasst und verwaltet werden könne. Als Antwort darauf wurde beispielsweise das Thema «Portofolio» emsig diskutiert. Das war doch auch schon mal…

Zum Schluss: Die Tagung fand am Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn statt. Der Leiter des Museums meinte bei der Begrüssung leicht entschuldigend, wenn er jeweils nach der CEBIT zurück nach Paderborn komme, dann fühle er sich echt «wie in einem Museum». Er bezog sich auf die etwas in die Jahre gekommene Ausstellung. So hörte die Visualisierung des Mooreschen Gesetzes (siehe Bild oben) 2005 auf – zu einer Zeit, als es noch keine Smartphones gab…

Weitere Informationen:
zur Tagung «School’s out – Informelle und formelle Medienbildung»
zur GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur