«I’m a visiting scholar hosted by Jeff Miller from the CTLT». – Dieser Satz wirkt wie ein Empfehlungsschreiben und hat mir während des halbjährigen Aufenthalts an der Universität Vancouver (UBC) viele Türen geöffnet. Jeff Miller, Bereichsleiter am Centre for Teaching, Learning and Technology, vermittelte mir aufschlussreiche Kontakte zu Mitarbeitenden des CTLT, zu Professorinnen und Professoren der Fakultäten, den Medienproduzenten in den UBC Studios oder dem Emerging Media Lab.

Beim Besuch des «Summer Institute» im August erfuhr ich vom breiten Themenfächer des CTLT (Blogbeitrag). Es geht nicht «nur» um die Unterstützung der Lehrenden beim Einsatz von Technologie in der Lehre. Das CTLT richtet den Blick auf das ganze Spektrum guter Hochschullehre: Ein Weiterbildungsprogramm für Lehrende vom Novizen aufbauend bis hin zur Leadership Ausbildung, Programme zur Finanzierung von Lehrkonzepten und zur Weiterentwicklung umfassender Studiengänge. Dazu Schwerpunktthemen wie Student-Wellbeing (Blogbeitrag), Inklusion oder Indigenous Initiatives.

Der Jahresreport des CTLT berichtet eingehend über die Strategieentwicklung (PDF) und verknüpft die Strategie der UBC mit den Arbeitsschwerpunkten des CTLT. Jeff skizziert die Geschichte des CTLT und wie es zur heute engen Anbindung an die Strategie der Hochschule gekommen ist. Treibende Kraft sei Simon Bates. Der frühere Direktor des CTLT ist heute «Associate Provost Teaching & Learning» und Mitglied des «School Board» der UBC. Jeff schlägt ein abschliessendes Gespräch mit Simon vor. Er hat 2010 die damals separaten Organisationen des «Online Learning Center» und des «Center of Learning» zusammengeführt. Damit waren im Prinzip Mediendidaktik und Hochschuldidaktik vereint. Ich will mehr erfahren über die Entwicklungsgeschichte des CTLT und dessen Erfolgsfaktoren.

Gespräch mit dem Gründungsdirektor

Mit Simon Bates zum Gespräch in seinem bevorzugten Coffee Shop auf dem Campus. The Great Dane Coffee, dessen Name ist offensichtlich Programm: Eine riesige Dogge und eine noch grössere Hundeecke dominieren das nicht sonderlich geräumige Kaffeehaus. Ein ungewohnter Anblick hier im Land der wohl restriktivsten Hundeverbote. Mit Kaffeetasse und Cinnamon Bun bewaffnet suchen wir uns einen freien Platz, vorbei am Tisch der Teamleader des CTLT mit ihrer designierten Direktorin, Christina Hendricks. Das Great Dane Coffee ist offenbar beim gesamten CTLT Staff beliebt.

Ein hoch aufgeschäumter Cappuccino vor uns auf dem Tisch, daneben die neue Broschüre der PH Zürich. Simon gefällt die schnittige Architektur des Zurich Campus. Die drei Hochschul-Gebäude in der Zürcher Europaallee wirken im Vergleich zur riesigen UBC wie ein Bonsai-Campus.

Ein Spiegel der Strategie

Simon erkundigt sich nach meinem Eindruck nach dem halbjährigen Aufenthalt an der UBC, den Besuchen von Workshops und Schulungstagen des CTLT und den gegen 20 Interviews mit Mitarbeitenden. Das Arbeitsprogramm des CTLT ist beeindruckend, ein aufbauendes Weiterbildungsangebot, das neu eintretende Lehrende abholt und sie über Jahre hinweg hin zum Educational Leadership Program begleitet. Dies fällt auf: Die Aktivitäten des CTLT lesen sich wie ein Spiegel der Strategie der UBC.

Bates räumt ein, dass diese enge Verzahnung zwischen Arbeitsinhalten und Strategie relativ neu sei. «We are still getting used to how we align us to this.» Wir sprechen über die oft erlebte Geschichte, wenn die Hochschulleitung hinter verschlossenen Türen Strategieziele formuliert und wie sich diese spätestens auf Ebene der Mitarbeitenden in Luft aufgelöst haben.

«Eingebacken» in die Hochschulstrategie

2017 sei ein neues School Board entstanden, berichtet Simon. Er ist neu Mitglied dieses Beratungsgremiums in «the Provost’s Office». Die Entwicklungsarbeit an der Strategie sei während eines zehnmonatigen Prozesses entstanden, mit umfangreichen Befragungsrunden von Leitungspersonen, Mitarbeitenden jeglicher Funktion und weiteren Stakeholders. Die Mitarbeitenden seien durch diesen hoch integrativen Prozess quasi Teil der Strategie geworden. «When you are wired in like that the activities follow the goals». Anfang 2018 sei die neue Strategie in Kraft getreten. Die grundsätzlichen Ziele der Hochschule hätten sie nicht aus den Augen verloren. «It is still going about research excellence and about transformative learning … but now with a different focus». Und dieser Fokus helfe ihnen beispielsweise bei der Festlegung des Weiterbildungsprogramms. Im Prinzip kämen die Massnahmen nun wie von selbst, ohne täglich auf die Zielsetzungen zu schauen, denn … «it’s because we are kind of baked in and we can see ourselves in these goals.»

Das Leitungsteam des CTLT von nebenan erhebt sich vom Tisch. Freundliche Blicke und Worte werden ausgetauscht. Der Leitungsstab ging im Sommer vom Physiker und Hochschuldidaktiker Bates zur Philosophin und neuen CTLT Direktorin Hendricks über. Es sei wichtig, dass eine Leitungsperson auch als akademische Kapazität in ihrem Fach erkannt würde, erklärte mir Jeff Miller bei anderer Gelegenheit.

Projektfinanzierung auf Antrag

Themenwechsel im Gespräch mit Simon Bates über die Erfolgsfaktoren des Center of Teaching, Learning and Technology. Beratung zum Technologieeinsatz ist im CTLT im «Walk in Modus» erhältlich und die Mitarbeitenden wählen frei aus dem kostenlosen Programm an Workshops. Ressourcen für die Entwicklung umfassender Blended Learning Lehrgänge, für teure Selbstlern-Angeboten, Lernfilme etc. sind im CTLT jedoch nur auf Projektantrag erhältlich. Ihr Finanzierungsprogramm, das TLEF ist gut alimentiert. Zur Einreichung von Anträgen bietet das CTLT bietet Workshops an, wo die Antragssteller unter Anleitung Grobkonzepte entwickeln. Niederschwellige Beratung und Weiterbildung einerseits und Finanzierung grosser Projekte exklusiv auf Antrag andererseits. Simon zum Umgang mit der akademischen Lehrfreiheit: «Because in academia you can’t really people compel to do things in a certain way. You have do work with different levers.» 

Im Frühjahr 2018 lancierte das CTLT ein Finanzierungsprogramm zur Weiterentwicklung ganzer Studiengänge. Die Fakultäten konnten die Überarbeitung eines Bachelor Studienprogramms beantragen, mussten sich aber nach definierten Entwicklungsschritten arbeiten. Und die Projektteilnehmenden mussten sich zum Austausch zwischen den Fakultäten verpflichten: «Being part of a cohort is essential and mandatory.» Sie hätten drei bis vier Departemente erwartet, welche unter so strengen Bedingungen Ressourcen beantragen würden. Ganze 14 Anträge seien aber eingegangen und der Provost hätte das Budget kurzfristig verdoppelt.

Der Einsatz von Anreizmechanismen ist offensichtlich Teil der Kultur. Lehrpersonen nehmen nach einem Bachelor of Science, of Languages etc. an einem 11-monatigen Teacher Education Program teil und unterrichten dann zu moderatem Lohn. Wer verdienen mehr will, geht zurück an die Universität für ein Master Programm. Der Lohnanstieg danach sei signifikant.

«We need the Healthy Scepticals»

Wir diskutieren über die von mir besuchten Studiengänge und ihre Professorinnen/Professoren, welche überaus erfolgreich Lerntechnologie einsetzen: Claudia Krebs von der Faculty of Medicine hat ihren Studiengang in Neuroanatomie in ein Flipped Classroom Format umgestaltet und mit Unterstützung des TLEF ein interaktives Tutorial mit aufwändig produzierten Lernfilmen entwickelt. Die Filme sind als offene Lernressourcen auf Youtube zugänglich (Blogbeitrag). Siobhán McPhee von der Faculty of Geography hat Lernangebote unter Einsatz von virtueller Realität ebenfalls mit Finanzierungshilfe des CTLT entwickelt, beispielsweise «Journey With Me», eine interaktive Reise mit Flüchtlingen aus Syrien. Simon Bates nennt diese Early Adopters «The Champions». «You need to try to involve them into the change.» Diese Professorinnen bieten im CTLT Workshops mit dem CTLT Staff an und berichten von ihren Erfahrungen.

Wir sind uns einig, es sind «Leuchtturm-Projekte» von Einzelpersonen. Aber die Frage, wie solche Vorzeigeprojekte eine Wirkung in die Breite erhalten können, beschäftigt die Hochschule auch hier. Unser Gespräch führt uns zu Pilotprojekten, welche nach Abschluss oft versanden. Darauf hat das CTLT reagiert. Nebst jährlichen Anträgen zur Folgefinanzierung und verpflichtender Evaluation seien die Publikation der Ergebnisse und damit der Transfer der Erfahrungen auf andere Disziplinen Teil des Programms.

Und im CTLT würden sie die Erfahrung machen, dass eine Konzentration auf Leitungspersonen aus dem mittleren Kader viel zur gewünschten Breitenwirkung beitragen könne. Überzeugte Leitungspersonen – Bates nennt sie die «Healthy Scepticals» – könnten Botschafter für das Anliegen sein: «Get people who are sceptical but willing to be convinced». Hier lohne sich die Energie, die Verweigerer könne man getrost sich selbst überlassen.

Ressourcen den Fakultäten zurückgeben

Zeit zum Aufbruch. Gemeinsam spazieren wir durch den Campus, vorbei am Student Nest und dem Irving K. Barber Learning Centre, wo das CTLT ihren Sitz hat. Welchen Rat er anderen Hochschulen geben würde, frage ich Simon Bates zum Abschluss. «I want to turn it around», meint der höfliche Kanadier mit schottischen Wurzeln. Sie hätten gute Erfahrungen gemacht mit der Unterstützung der Fakultäten nach ganz individuellem Bedarf, angepasst an ihren Entwicklungsstand, ihre Kultur und die aktuellen Bedürfnisse. Das könnte gar bedeuten, dass Mitarbeitende des CTLT an festgelegten Tagen ihren Arbeitsplatz in die Fakultäten verlegen. «We are essentially giving back resources to the faculties.», meint Bates, verabschiedet sich und entschwindet ins Office of the Provost, wo er seit kurzem sein Büro hat, und nicht mehr im CTLT. Ich erinnere mich daran, wie Jeff die Entwicklung des CTLT der letzten Jahre auf dem Punkt gebracht hat: «The CTLT has literally moved from the side to the center.»

Simon Bates wird auf der Website der UBC im Interview vorgestellt.